Das Berliner Publikum ist ein schweres. Zwischen Coolness, Selbstdarstellung, Arroganz und Skepsis kommt selten die ausgelassene Stimme auf, die bei Städten mit einem niedrigeres KünstlerInnen/Einwohner-Verhältnis hat als die kreative Hauptstadt. Doch heute war alles anders. Die gefühlvollen Songs der Supporterin Winnie Reader wurden mit Kusshand angenommen, Jubel erfüllte das wunderbare Gebäude im Wedding und während der Songs wurde aufmerksam geschwiegen. Tamino zog eine Gruppe an Interessierten, Lauschenden, Fans und Musiknerds in das Silentgreen. Bei der besonderen Location handelt es sich um eine Kulturstätte, die einst ein Krematorium war: Ein kleines Stück hübsche Stille inmitten des schmutzigen Weddings. Die sakrale Bauweise der kreisförmigen Trauerhalle, in der die Konzerte stattfinden, sorgt dabei für eine einzigartige Stimmung und Dynamik zwischen KünstlerIn und Publikum. Um aufzutreten schlängelte sich Tamino an den Leuten Vorbei zur niedrigen Bühne, schnappte sich seine Gitarre und begann mit der vollen weichen Stimme die Halle zu füllen. Im Oktober war eine erweiterte Version seines Debütalbum „Amir“ erschienen, auf dessen B-Seite einige neue Songs, Demos und Live-Aufnahmen zu entdecken waren. Mit dem ruhigen, emotionalen Song Habibi hat Tamino, durch seine breite Stimme, schnell Anklang gefunden. Was ihn seinen Indie-inspierierten Musikstil dabei jedoch einzigartig macht, ist die Verschmelzung der musikalischen Einflüsse, mit denen der Belgier aufwuchs. Denn neben Jeff Buckley, gehört auch das Werk seines ägyptischen Großvaters Muharram Fouad zu Taminos musikalischen Einflüssen. Und so trat er auch in Berlin mit einem modifizierten Drumset und Samples arabischer Flöten und Lauten auf und ließ seine warme Stimme in Melodien durch den Raum tanzen, die zwischen dem europäischen und dem arabischen Tonsystem vermittelten. Dazu bildet er beispielsweise Harmonien wie sie im Fux'schen Lehrbuch stehen, bewegt sich aber immer wieder in Vierteltonschritten, die das Arabische Tonsystem auszeichnet. Die vielen Wechsel zwischen den Tonarten und Intervallen gehen dem Sänger so locker von der Hand, da er sowohl eine starke Bruststimme als auch eine herzzerreißende Kopfstimme hat. Im Arrangement mit der Indie-Rock-Besetzung seine Band kommt eine so innovative, neue Musik dabei heraus, die noch dazu mit berührenden Texten punkten kann. Der Abend lebt von der Improvisation in Taminos Gesangspart, denn die typischen Tonwechsel baut er live meist nach Gefühl ein. Trotz aller Perfektion schafft es Tamino auch bei den lauteren Songs wie „Each Time“ den intimen Kontakt zum Publikum halten. Zu den absoluten Highlights gehörte „Sun May Shine“. Der Song baut über die Strophe hinweg so viel Spannung auf, denn dann am Ende in einem Großen Zusammenspiel aus Harmonien und der Kopfstimme Taminos gelöst wird. Dazu flackerten die Lichter der Location im Takt. Der Hall trug jeden Ton bis zu runden Kuppel der Ruhestätte und es ist schwer an diesem Abend nicht von den Klängen der klaren, weichen Stimme berührt zu werden.
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Das kleine Musik & Frieden im Herzen Kreuzbergs war nicht ganz ausverkauft an diesem Abend, doch der kleine Saal war dennoch gefüllt. Als ich den Saal betrat ging gerade der Support Boniface auf die Bühne und wurde ziemlich kräftig vom Publikum bejubelt. Es war das gemischteste Publikum, das ich je erlebt habe. Die Circa Waves brachten an diesem Abend alle Altersgruppen zusammen und auch bei den Geschlechtern kann ich nur schwer einschätzen, wer letzten Endes in der Oberhand war. Ist ja auch egal, denn es wurde ziemlich klar, dass die Clique in Abipullovern genauso viel Energie in den Raum brachten wie die zwei Mittfünfziger zwei Reihen dahinter. Die britische Band Circa Waves aus Liverpool bestechen seit 2014 mit 1A Brit-Pop. Auf zwei Alben haben sie sich der englischen Indie-Tradition angeschlossen und nicht nur die Formation (zwei Gitarren, ein Schlagzeuger, ein Bass) und mehrere Riffs von ihren Vorgängern übernommen, sondern auch die Outfits und Frisuren, erinnerten an die Welle Anfang der Jahrhundertwende. Manch einer mag dies uninspiriert finde, doch die zwei Alben zeigen eine schöne Entwicklung und auch einige Einflüsse aktueller Musik finden sich immer wieder in Songs der Circa Waves wieder. Times won't change me now erinnert mit dem betonten Rhytmus und den energischen, redundanten Strophen stark an Rag ’n’ Bone Man. Mit Movies starten sie das Konzert und ich war im ersten Moment ein wenig Verwirrt, denn der Klang des Sängers war Live ein ganzes Stück anders: Seine Stimmer erinnerte viel stärker an die spitze, nasale Klangfarbe von Brian Molco (Placebo) als die weniger einzigartige Studioversion Kieran Shudalls. Es wurde viel gesprungen, hier und da auch gerempelt, es gab ein sehr kleines Moshpit und Momente, bei denen man sich beim Mitsingen an die Brust fasste. Der Schweiß hing in dem niedrigen Raum und die Lichter tanzten durch die verhangene Luft. Nicht nur die Singles konnten von der Überzahl der BesucherInnen mitgesungen werden, sondern auch die vielen Songs des aktuellen Albums What's it like over there?. Nach nur einer Stunde war dann aber schon alles vorbei – inklusive Zugabe. Auch wenn die Band bis lang noch nicht den großen Durchbruch hatte, war der Saal voll und mit zwei Alben gab es auch genügend Material, um noch ein wenig länger zu spielen. Die Stimmung hätte es in jedem Fall hergegeben. So verließ ich etwas unbefriedigt das Musik &Frieden. Ich hätte mich gerne K.O. getanzt. Wer sich einen Live Eindruck der Band verschaffen möchte, sollte sich diese Auftritt ansehen: Wenn ein Festival nur einen Katzensprung von der Hauptstadt entfernt ist, wenn ein Festival eine familiäre Stimmung kreiert und bis in die letzte Minute aufrichtige Freude versprüht, wenn selbst die Rückfahrt von der Idylle zurück in den Großstadtdschungel noch ein schönes Erlebnis ist - dann kann man wohl von einem gelungenen Festival sprechen!
Bereits zum fünften Mal luden Ry X und Frank Wiedemann ihre Musik-Freunde nach Trampe ein, um für ein paar Hundert Menschen zu spielen und umgeben von nichts als wogenden Feldern für einen Moment auszusteigen. SACRED GROUND FESTIVAL nannten sie das Elektro-Festival, das mit sphärischen Sounds aufwartet. Mit viel Liebe und Hingabe wurde das übersichtliche Gelände gestaltet: Es standen wild verstreut kleine Holzbänke im Gras, Plateaus waren aufgebaut, Sessel gruppiert und hübsch dekorierte Zelte zum Seele-Baumeln-lassen errichtet. Kampf dem Versacken-Im-Camp! Denn wozu vor den Zelten herumhängen, wenn es auf dem Hauptplatz viel schöner ist?! Nicht nur das bestechlich schöne Ambiente sorgte dafür, dass das Publikum sich quasi immer vor der großen Hauptbühne versammelten. Auch das Konzept, keine Running Order zu veröffentlichen, appelliert an die Aktivität der Zuschauer. Im Großen und Ganzen ging das auch ganz gut auf, allerdings steckte allen die Nacht noch in den Knochen, sodass es trotz der gut besuchten Konzerte unmittelbar vor der Bühne weitestgehend leer blieb und nur vereinzelt Leute in der Sonne tanzten. Die Tage startete mit seichtem Elektro und wandelte sich im Verlauf der Sonne zu härteren Beats, die immer mehr Leute anzogen, bis die kleinen verstreuten Grüppchen zu einer großen wabernden Tanzmasse der Nacht wurden. Heraus stach für mich die Indieband Tora, die sich erst in der vergangenen Woche mit der neuen Single Similar in meine Favoritenliste gespielt haben. Die Performance hat mich von Anfang bis Ende durch Groove der Songs gefesselt. Die vier Australier tauschten mehrfach die Instrumente und auch die Vocals schallten aus unterschiedlichen Ecken, wobei jeder auf seine Weise überzeugen konnte. Hinzu kam ein seichte Beat, der einen in die Knie gehen ließ und die träumerischen Songs aufgehen ließen. Generell wurde das Line Up eher von DJ's angeführt, was den Auftritt von Tora umso spezieller machte. Die Sets, die bis 02:00 von der Hauptbühne kamen, waren teilweise sehr melodisch und variierten stark zwischen den Strömungen, die die Technolandschaft ausmachen, blieben meistens aber eher melodisch und sphärisch mit einem starken Ambient-Charakter. Besonders das Set von Perel hat sich in meinen Körper gespielt und auch das Publikum zeigte sich beeindruckt von der Künstlerin, die sich auf schnelle, dumpfe Beats und Spoken-Words-Elektro in guter 80er Jahre Manier beruft. In der vergangenen Woche hatte die sächsische Musikerin ein neues Album veröffentlicht (Karlsson), das mindestens genauso überzeugend war, wie ihre Performance auf dem Sacred Ground. Mit einer unausweichlichen Präsenz und Eindringlichkeit wechselte sie zwischen dem Mischpult und ihrem Mikro, sodass ich mich weniger in den flackernden Lichtern als in den Bewegungen, Worten und Klängen der zarten Frau im weißen Kleid verlor. Für einen Großteil der Leute ging es nach den Hauptakteuren in das benachbarte Technozelt: ein vielfältig ausgeleuchtetes Zirkuszelt, das nur einige Meter weiter stand, gut abschirmt durch einige Bäume und flatternde Vorhänge. Es fiel leicht einzutauchen in die Stille des winzigen Örtchens, aufzugehen und der liebevollen Stimmung und schließlich in den alles durchdringenden Bässen abzutauchen und sich ein kleines Bisschen zu verlieren. Von RaverInnen zu StampferInnen, von Yogaliebenden zu Coachella-geschmückten, von Prollos zu Normalos und Familien - das Sacred Ground vereinte mit seiner Freundlichkeit eine große Bandbreite an Menschen, die respektvoll mit sich, den Künstlern und der Umwelt umgingen. Noch nie wurde so ordentlich und zivilisiert miteinander gefeiert, denn bis zum Schluss hielten all die liebevollen Details und es wurde nur wenig Müll hinterlassen. Auch nach der Ekstase des letzten Auftritts von Ry X persönlich, verließ die Menge das Gelände dahin schwebend und auch der Campingplatz sah fast so aus, als wäre er nur eine stille, wenn auch plattere Wiese. Die Menschheit hat sich auf diesem Fleckchen Erde von einer ganz besonders schönen Seite gezeigt - zur Abwechslung mal ohne dabei Spuren auf dem Boden zu hinterlassen. Mit ausgebreiteten Armen flog der Norweger Pish auf die kleine Bühne des Berliner Fluxbaus - ein herzlicher Club am Spreeufer Kreuzbergs.
Der Raum war mit erwartungsvollen Menschen gefüllt, die zunächst auf der großen Terrasse Drinks tranken, lachten und schließlich, als die ersten Töne erklangen, vor die Bühne strömten. Der Abend war Weißwein-getränkt und als der schlaksige Mann mit einer gelben Fliegerbrille, Goldkettchen und aufgeknöpftem Sommerhemd, ging der lockere Beat direkt in die Beine des Publikums. Der Sänger, der den meisten wohl besser als der Frontmann von Kakkmaddafakka bekannt ist, hatte im letzten Jahr sein erstes Soloalbum veröffentlicht. Gemeinsam mit einem DJ bot er den BerlinerInnen einen vielfältigen Mix aus eleganten Liedern mit Sommerflair und unterhalsamen Bühnengesprächen. Mit viel Humor verflog der Abend schnell und rasch war die erste Platte durchgespielt. Auch einige neue Songs waren mit dabei, die voller fließendem Elektro und Freiheit stecken und positive Resonanz erzeugten. Auch ohne eine Band im Hintergrund, performte der Indiemusiker souverän. Besondere Highlights für das Publikum waren dennoch die zwei Songs, seiner Band aus Bergen, die er neu abgemischt und mit einem dezenten Berlin-Techno-Vibe versehen hatte. Das Ende des Konzertes kam nur sehr schleichend, denn obwohl bereits alle Tracks gespielt waren, die der Künstler in seiner noch jungen Solokarriere produziert hatte, wurde weiterhin getanzt, gejubelt und getrunken. Der Sound kam minimalistischer daher und auch die Show kam wunderbar ohne Glitzer und Konfetti aus, denn Pish erfüllte an diesem Abend mit seiner Herzlichkeit den ganzen Raum, sodass das Konzert durch die freundlich-familäre Atmosphäre aufblühen konnte. ![]() Die Sonne strahlt an diesem Freitag über Berlin, als sich eine Horde Menschen nach Spandau aufmachten, um die Bloc Party an diesem lauen Abend zu sehen. Man unterhielt sich ausgelassen, ob mit Freunden oder Fremden, an allen Ecken des großen Geländes der Zitadelle, saßen Menschen mit Bier in der Hand und Lächeln auf den Lippen. Spätestens aber nach der zweiten Vorband, hielt es dort keinen mehr und man versammelte sich auf dem schönen Platz im Zentrum der anmutigen Location. 2005 erschien das Debüt der britischen Indiehelden: Silent Alarm. 13 Tracks, die damals der Welt gezeigt haben, was gute Popmusik kann, sollten an diesem Abend von dem Publikum, das vor 14 Jahren wahrscheinlich gerade in ihrer Quarterlifecrisis waren, zelebriert werden. Das Konzert spielte das kleine Meisterwerk von Hinten nach Vorne, sodass der starke Opener die Episode beendete und der Abend mit einem seichten Fade-out startete. Die Energie war trotz einiger Tonprobleme sofort das, als die vier auf die Bühne traten und die Menschen mit Compliments begrüßten. Jeder Song hat sich ins Gehirn, in die Seelen und bei einigen BesucherInnen auch auf die Haut gebrannt. Alle Parolen wurden mitgesungen und der 58 Minuten, die Silent Alarm dauert, vergingen wie im Flug. Kein Wunder bei Bangern wie Modern Love, Banquet oder Helicopter. Es bildete sich ein freundliches Moshpit, der Staub stieg in die Luft und in die Nase - scheiß egal - weiter tanzen, bloß nicht aufhören, bloß nicht enden - ach es ist so wunderbar! Weißer Konfettiregen prasselte dann und wann auf uns hinab und auch das Licht paarte sich mit der blauen Stunde, was die Erfahrung um eine weitere Komponente Intensivierte. Nach dem heroischen Ende von Like Eating Glass, verließ die Band die Bühne, kam aber gleich darauf noch einmal zurück und spielte alle großen Hits die man in 14 Jahren Bandgeschichte produziert hatte! Besonderes Highlight war die Elektro-Nummer Kreuzberg, die für die Berliner natürlich einen ganz besonderen Wert darstellt. Mit Flux und Hunting for Whitches, kam noch einmal alles zusammen: Pure Freude machte sich breit, die auch nach dem krönenden Abschluss nicht wich, sodass die Tanzfläche zu der Musik aus den Boxen weiter genutzt wurde und man sich gegenseitig in die Arme fiel. Gestern stürmten The Blinders durch das schummerige Cassiopeia in Kreuzberg. Das britische Alternative-Punk-Trio ist erstaunlich jung für die vorwiegend politischen Themen, die sie in ihren Songs verhandeln. Wer jetzt drei wütende Bengels erwartet, die mal ein bisschen gegen das Establishment sind, hat weit gefehlt. The Blinders bringen politischen Rock, der ohne platte Parolen auskommt, clever komponiert ist, vernünftig produziert wurde und auch noch gut performt wird, auf die Bühne. 90 Minuten schallten mir schwere Akkorde aus einer hochglanzpolierten Fender entgegen, wobei insbesondere der bluesige Bass im Kopf blieb. Die Leute um mich herum hätten kaum diverser sein können: Ein paar Teens und Studenten, ältere Damen und Herren und Cassiopeia Stammgäste kamen auf diesen paar Quadratmetern zusammen. Eine angenehme Konstellation an Menschen, die sich darauf verstanden ordentlich Stimmung zu verbreiten . Es machte wenig Unterschied ob The Blinders psychedelische Nummern wie 'Ramona Flowers' oder ihre melodiösere Singe 'Brave New World' spielten; die Menschen tobten durch den Raum und zelebrierten die musikalische Darbietung. Die Einflüsse sind dabei quer durch die gesamte Rockgeschichte gestreut. Die Stimme von Thomas Haywood, die sich über die Gitarrenriffs legt, erinnern besonders stark an die frühen Arctic Monkeys, was spätestens bei der Single 'I can't breathe Blues' jedem einleuchten sollte. Mir gefällt diese Ähnlichkeit natürlich und das Publikum schien ebenso begeistert. Textsicher wurde miteinander gerangelt, wobei der 'Hate Song' wohl ein Höhepunkt des Abends war. Am Ende haben die Jungs alles aus ihrem Repartoire geholt, was sie in ihrer jungen Karriere zu bieten hatten und auch das Publikum verließ Schweiß verschmiert und heiser die Location. Hervorzuheben ist auch die Vorband: The Ninth Wave, eine Punkband, die bereits drei EP's herausbrachten. Die Kombination aus den weiblichen und männlichen Gesang, macht die Musik besonders und auch live haben mich die Vier Briten überzeugt. Am 21.05. kann man The Ninth Wave zusammen mit Yonaka im Privatclub hören! Die Sonne strahlte über Berlin und nur sehr vereinzelt gingen die Menschen ins erhabene Tempodrom, um THE KOOKS nach 2 Jahren wieder auf der Bühne zu sehen. Vor allem Mädchen und Jungen in ihren 20ern kamen vor der Halle zusammen, die ähnlich wie ich, die Britrockband in der Teenyzeit tief ins Herz geschlossen haben. Liebe lag in der Luft! Das Publikum wurde von zuckersüßen Pärchen dominiert. Wie auch bei der letzten Tour hatten sie die Vorband Blossom im Gepäck. Eine fünfköpfige Indie-Pop Band mit schönen, langen Haaren, die sich in den letzten Jahren einen Namen machen konnten und von der wir noch einiges erwarten dürften. Ihre Performance machte viel Spaß, beinhaltete coole Interaktionen und versetzte mich zurück ins Jahr 2006, wo die Indiewelle aus GB mein CD Fach überschwemmte. Aufgeladen von Vorfreude, Sonne, Bier und Freundschaft tanzte das Publikum bereits zu den 80er Songs, die während des Umbaus gespielt wurden. Es dauerte eine ganze Weile, doch die Laune wuchs mit jedem Oldie, der uns entgegen schepperte. Als die ersten, heroischen Akkorde dann endlich erklungen ging der Jubel los. Von der ersten Reihe bis zu den Rängen verwandelte sich die Menge in kleine Flummis, die augenblicklich zur poppigen Gitarrenmusik auf und ab hüpften. Luke Pritchard hatte das perfekte Verhältnis von Ansage, alter sowie neuer Musik und die Nostalgiker wurden für ihr kommen belohnt. In engen Jeans, Hemd, Blouson und mit unfehlbaren Wuschelmähnen eroberten The Kooks die gesamte Halle im Sturm. Die extrovertierten Bewegungen von Pritchard sind zwar anziehend und faszinierend, doch trotzdem konnte ich mich an den strahlenden Gesichtern um mich herum gar nicht satt sehen: Eine Menschenmenge in verschwitzten T-shirts, schwelgend im Glück ihrer pubertären, verklärten Erinnerungen und im Erleben dieser Neuen. Die Stimmung war gelöst, das Publikum euphorisiert und auch in den ruhigeren Momenten wurde die Brit-Indie-Pop-Band gefeiert. Nicht nur ich und meine Freunde lagen uns regelmäßig in den Armen und blickten verzückt wippend auf die Bühne. Alle positiven Hormone überschlugen sich zu Hymnen der Jugend wie Ohlaa, Junk Of A Heart, Sofa Song, Seaside und Co. Es war eine Sammlung an Höhepunkten, die ich mantraartig vor mich her beten könnte und die mich seit 2006 begleiten. 2006, wo die kleine Rosie gerade mal 10 Jahre alt war und das Gymnasium vor der Tür stand. 13 Jahre später all diese Songs in extremer Perfektion und mit einer enormen Leidenschaft zu erleben, brachte nicht nur mich, sondern den gesamten Saal in eine ganz besondere melancholische Stimmung, die die Tanzlust aber nicht schmälerte. Die Band hatte sichtlich Spaß und kostete den tosenden Applaus nach dem letzten Lied aus, der sich noch lange in der Halle hielt. Was ist euer Lieblings-Nostalgik-Teeny-Song? Mit einer kleinen Hommage an die Hollywood-Sinfinik kommen die Paper Kites auf die kleine Bühne im Binuu in Berlin.
Das Publikum in der hübschen Location in den Bahnhofsbögen des Schlesischen Tors ist still und man lässt sich bereits mit den ersten Klängen von der australischen Band einlullen. Die Paper Kites, das sind, sanfte Gitarrenklänge, Harmonien, in die man sich fallen lassen kann und ganz viel sinn für Feinheit und Raffinesse. Während ihr erstes Album genau danach klang, was man sich unter einer Platte Namens Woodland vorstellt, sind die zwei jüngsten Veröffentlichungen viel eher in die Ästhetik von Drive geschlüpft und haben die fünf Australier vom filigranen Finger-picking zu satteren Klängen geführt. Der Abend schlendert zwischen diesen beiden Facetten und scheint nicht ganz in dem kleinen Raum anzukommen. Erst beim dritten Song Revelator Eyes (Song) scheinen sowohl Band als auch Publikum so richtig loszulassen und in mir gibt es einen kleinen Ausbruch, der wenig später wieder in dem wabernden Sound verebbt. Die Paper Kites bleiben sehr innerhalb ihres Sounds, was auf den Alben ganz wunderbar ist, doch ich wünschte mir mehr sprudelnde Elemente, mehr überschäumen vor lauter Wonne, Schmerz und Emotion.. Die Menschen scheinen an diesem Abend viel bei sich selbst zu bleiben und zwischen den Songs herrscht ein Schweigen, das den schweren Melodien noch mehr Raum und Tiefe verleiht, die erst von den ungewohnt starken Drums wieder aufgehoben werden. It's nice to be sad sometimes, sagt Sänger Sam Bentley mit seiner weichen Stimme, die immer scheint als würde ihm etwas fehlen. Sein Sehnen nach Mehr durchzieht die Lieder, den Abend und wir wogen dahin. Ab und zu lädt ein Song zum tanzen ein, doch auch das nehmen wir nur mit einer kollektiven Gänsehaut auf, die jeder für sich genießt. Das Konzert ist ein gemeinsam gelebtes Wohlfühlen in leichtem Schmerz, der gerade soweit reicht, dass er eine schöne Entschuldigung ist, alleine eingekuschelt auf einem Bett zu sitzen und über das Leben zu sinnieren. Highlights sind die kleinen Chorstellen, bei denen sich alle 5 um das Mikro tummeln und das Volumen einzelner Worte plötzlich das Binuu zu sprängen scheint, nur um sich Sekunden später schon wieder organisch zurückzuziehen. Die E-Gitarre erfüllt alle Ecken und umspielt das Publikum mit einem Echo der Melodie oder Akkordfragmenten, die in der Luft hängen bleiben. Jeder Song scheint für sich aufzublühen und als Train Ride Home (Songatgebuch) erklingt steigert sich mein introvertierter Genuss um die letzte Nuance, die mir zum endgültigen Dahingleiten noch gefehlt hat. The Paper Kites haben die Menschen in Wehmut vereint und jedem Individuum einen Platz geschaffen, das Konzert ganz in sich allein aufzusaugen. Schließlich endet der Abend mit einem Sample eines davon fahrenden Zuges. Das Licht flackert Blau-Violett und in der nachklingenden Stille, vernimmt man tatsächlich die U1, die über dem kleinen Club anfährt und sich in die kalte Berliner Nacht bewegt. Bei welchem Song hattet ihr als letztes so eine richtige Gänsehaut? Mehr zu The Train Ride Home könnt ihr hier lesen. Das Publikum im Musik und Frieden ist an diesem Tag überschaubar und dennoch herrscht eine große Geräuschkulisse. Bereits im Februar haben die drei Frauen hinter Dream Wife ihr Debütalbum mit einem großen Knall in die Welt hinaus geschrien und die Poppunk-Szene mit feministischen und genderkritischen Parolen bereichert. Seit dem haben sie um die 150 Shows gespielt und das Album scheint ihnen in Mark und Knochen übergegangen zu sein. Auch an diesem Abend stürmen sie mit großem Elan auf die kleine Bühne und reißen das Publikum mit. Die drei könnten kaum diverser sein und doch steht die Band sehr vereint auf der Bühne. Zwölf Songs haben sie mitgebracht und immer wieder säuselt die isländische Sängerin wunderschöne Moderationen in das Mikro. Während der Songs bleibt davon wenig übrig, denn das Album strotzt vor Power und Leidenschaft. Leider gehen in der Mischung die wichtigen Worte manchmal zwischen dem Gitarrengeschrabbel à la Babyshambles unter. Doch die Hymne Sombody wird von dem Publikum ohnehin lautstark mitgesungen und es schallt durch den Raum: I am not my body, I am somebody. Der Abend steht, trotz all der ernsthaften Themen, die Dream Wife in ihrer Musik verhandeln, unter dem Motto der Ausgelassenheit. Man hängt an den weichen Vokalen, die aus dem Mund der Isländerin Rakel Mjöll rollen und den starken Refrains, die sie ins Mikro spuckt. Ihr steht die Mischung auf Koketterie und Süffisanz, mit der sie das Publikum um den Finger wickelt. So sieht man sie schon in ihrem weichen und gleichzeitig energetischen Gang über weitaus größere Bühnen stolzieren, denn eins hat die Band an diesem Abend gezeigt: Sie sind entschlossen! Spätestens bei den letzten drei Song FUU, Hey Heartbreaker und Let's make out tobte der Saal mit den Girls mit und feierte die Hits. Rakel stürmt ins kleine Moshpit, Gitarristin Alice Go haut ein drei-minütiges Intro zu FUU raus, das zeigt, dass sie und ihre Gitarre eins sind. Bella Podadek blüht hinter ihrem Bass in den Backing Vocals auf und bereichert die Zeilen mit einer extra Portion Energie. Es ist eine herrliche Show und man würde diesen drei Frauen noch ewig durch die Nacht folgen. Man kann sich den intensiven Blicken und der Kraft ihrer Präsenz nicht entziehen und würde den Gefährtinnen Diskussionslos durch die Clubs hinterher jagen und weiterhin an den schönen Lippen hängen. Dream Wife erfinden mit ihrer Musik vielleicht das Rad nicht neu und klingen wie man sich eine Punkpop Band vorstellt, aber sie reißen einen mit und haben eine Message, hinter der die Künstlerinnen entschlossen stehen und die sie mit dem Publikum umso stärker vereint. Mit einem wohligen Gefühl strömen die Menschen ins kalte Berlin zurück. Hier und da noch ein tänzelnder Zwischenschritt, ein zuckender Rhythmus, der einen noch bis nach Hause verfolgt oder ein Summen auf den lächelnden Lippen und das Gefühl man hätte einen tollen Abend mit neuen Freundinnen verbracht. Wie wichtig ist dir eine Message in der Musik, die du hörst? Nur wenige Wochen nach den Pale Waves spielte die nächste Band mit einer starken Frontfrau ihr Debüt in Berlin. Black Honey ist ebenfalls eine britisch Band und sind in erster Linie erst einmal jung. Nach 4 Jahren Bandgeschichte, in denen sie mehrere EP's und Singles veröffentlichten, erschien das erste Album und damit auch ihre erste Headlinershow in dem kleinen Cassiopeia in Berlin. Wie erwartet tritt die Band mit einem lauten Knall auf und reißt das Publikum in binnen Kürze in ihren Bann. Das liegt nicht zu letzt an der wunderschönen, extrovertierten Frontfrau Izzy Philips, die mit einer geschmeidigen Stimme das Publikum einhüllt. Wer jetzt an ruhige, hauchige Soulklänge denkt hat jedoch weit gefehlt, denn Sie weiß wie sie genügend Härte in ihre Vocals bringt, während ihre drei Kollegen in ihrem Rücken fantastischen Garbage Rock produzieren. Immer wieder wird durch die Harmonien zwischen Izzys facettenreichen Stimmspielen und ihren klaren Backingvocals etwas aufgebaut, um es im nächsten Moment mit lauten Gitarren erneut zu brechen. Verführerisch und lässig spielt sie mit ihrer vollen Bruststimme die fast übergangslos in ihre Kopfstimme gleitet. Kokett wippt Izzy mit ihren Hüften zu den krachenden Drumschlägen und verleiht der Härte einen Hauch an Zärtlichkeit und lässt gleichzeitig zuckersüße Texte zynisch und kalt erscheinen. Sowohl im Style als auch klanglich hat sich die Band an diversen Jahrzehnten bedient und das Beste zusammen gemixt, was an manchen Stellen etwas zu Facettenreich erscheint und dem Album eine Note zu viel Unruhe verleiht. Live wirkt das musikalische Bild um einiges runder, denn man verließ sich auf die handgemachten Klänge, anstatt wie in der Produktion mit diversen Synthesizern und Hall- bzw. Autotune-Effekten zu experimentieren. Der Auftritt ist kantiger, sperriger und vor allem reduzierter, dennoch schafft es weiterhin jeder Song seinen eigenen Vibe zu transportieren. Die Band hat sichtlich Spaß, auch wenn die Freude tief unter einer bewundernswerten Schicht Lässigkeit und Coolness verborgen liegt. Souverän und lückenlos gleiten die Zuschauer ohne den Anfug von Floskeln von einem Song zum nächsten. Hier und da eine kleine Moderation, ein paar Worte, bevor es in das nächste Lied geht. Es gibt Songs auf Augenhöhe und mit Blickkontakt für die Frontline, sowie wildes Tanzen für den Rest. Nach 16 Songs neigt sich der Abend dem Ende zu und auch diese junge Band zeigt mit ihren Hitsingles aus dem vergangen Jahr und dem kürzlich erschienenen Debütalbum, dass man einiges von ihnen zu erwarten hat und die Menschen singen mit, als würden sie die Songs schon ein halbes Leben mit sich herum tragen. Ebenso souverän war aber auch ihre Vorband: Pins. Eine Band aus 4 starken Girls, die eine mehr als solide Leistung ablieferten. Ohne Berührungsängste sprangen sie ins Publikum, führten Problemlos von Song zu Song und spielten ihre Instrumente gekonnt zusammen. Man darf gespannt sein, wie sich die Laufbahnen der beiden Bands entwickeln. Black Honey hat mit dieser Debütshow gezeigt, dass in ihnen eine fantastische Live Band steckt, die ihre Studioaufnahmen um längen schlägt und einen guten Abend mit Nachgang garantiert. Hier könnt ihr einen Eindruck von Back Honeys Live Auftritten gewinnen. Was haltet ihr von der Band und ihrer extrovertierten Frontfrau? |
KonzertberichteLive! Live! Live! Von den absoluten Höhenflügen bis zur größten Enttäuschung. |