Wenn ein Festival nur einen Katzensprung von der Hauptstadt entfernt ist, wenn ein Festival eine familiäre Stimmung kreiert und bis in die letzte Minute aufrichtige Freude versprüht, wenn selbst die Rückfahrt von der Idylle zurück in den Großstadtdschungel noch ein schönes Erlebnis ist - dann kann man wohl von einem gelungenen Festival sprechen!
Bereits zum fünften Mal luden Ry X und Frank Wiedemann ihre Musik-Freunde nach Trampe ein, um für ein paar Hundert Menschen zu spielen und umgeben von nichts als wogenden Feldern für einen Moment auszusteigen. SACRED GROUND FESTIVAL nannten sie das Elektro-Festival, das mit sphärischen Sounds aufwartet. Mit viel Liebe und Hingabe wurde das übersichtliche Gelände gestaltet: Es standen wild verstreut kleine Holzbänke im Gras, Plateaus waren aufgebaut, Sessel gruppiert und hübsch dekorierte Zelte zum Seele-Baumeln-lassen errichtet. Kampf dem Versacken-Im-Camp! Denn wozu vor den Zelten herumhängen, wenn es auf dem Hauptplatz viel schöner ist?! Nicht nur das bestechlich schöne Ambiente sorgte dafür, dass das Publikum sich quasi immer vor der großen Hauptbühne versammelten. Auch das Konzept, keine Running Order zu veröffentlichen, appelliert an die Aktivität der Zuschauer. Im Großen und Ganzen ging das auch ganz gut auf, allerdings steckte allen die Nacht noch in den Knochen, sodass es trotz der gut besuchten Konzerte unmittelbar vor der Bühne weitestgehend leer blieb und nur vereinzelt Leute in der Sonne tanzten. Die Tage startete mit seichtem Elektro und wandelte sich im Verlauf der Sonne zu härteren Beats, die immer mehr Leute anzogen, bis die kleinen verstreuten Grüppchen zu einer großen wabernden Tanzmasse der Nacht wurden. Heraus stach für mich die Indieband Tora, die sich erst in der vergangenen Woche mit der neuen Single Similar in meine Favoritenliste gespielt haben. Die Performance hat mich von Anfang bis Ende durch Groove der Songs gefesselt. Die vier Australier tauschten mehrfach die Instrumente und auch die Vocals schallten aus unterschiedlichen Ecken, wobei jeder auf seine Weise überzeugen konnte. Hinzu kam ein seichte Beat, der einen in die Knie gehen ließ und die träumerischen Songs aufgehen ließen. Generell wurde das Line Up eher von DJ's angeführt, was den Auftritt von Tora umso spezieller machte. Die Sets, die bis 02:00 von der Hauptbühne kamen, waren teilweise sehr melodisch und variierten stark zwischen den Strömungen, die die Technolandschaft ausmachen, blieben meistens aber eher melodisch und sphärisch mit einem starken Ambient-Charakter. Besonders das Set von Perel hat sich in meinen Körper gespielt und auch das Publikum zeigte sich beeindruckt von der Künstlerin, die sich auf schnelle, dumpfe Beats und Spoken-Words-Elektro in guter 80er Jahre Manier beruft. In der vergangenen Woche hatte die sächsische Musikerin ein neues Album veröffentlicht (Karlsson), das mindestens genauso überzeugend war, wie ihre Performance auf dem Sacred Ground. Mit einer unausweichlichen Präsenz und Eindringlichkeit wechselte sie zwischen dem Mischpult und ihrem Mikro, sodass ich mich weniger in den flackernden Lichtern als in den Bewegungen, Worten und Klängen der zarten Frau im weißen Kleid verlor. Für einen Großteil der Leute ging es nach den Hauptakteuren in das benachbarte Technozelt: ein vielfältig ausgeleuchtetes Zirkuszelt, das nur einige Meter weiter stand, gut abschirmt durch einige Bäume und flatternde Vorhänge. Es fiel leicht einzutauchen in die Stille des winzigen Örtchens, aufzugehen und der liebevollen Stimmung und schließlich in den alles durchdringenden Bässen abzutauchen und sich ein kleines Bisschen zu verlieren. Von RaverInnen zu StampferInnen, von Yogaliebenden zu Coachella-geschmückten, von Prollos zu Normalos und Familien - das Sacred Ground vereinte mit seiner Freundlichkeit eine große Bandbreite an Menschen, die respektvoll mit sich, den Künstlern und der Umwelt umgingen. Noch nie wurde so ordentlich und zivilisiert miteinander gefeiert, denn bis zum Schluss hielten all die liebevollen Details und es wurde nur wenig Müll hinterlassen. Auch nach der Ekstase des letzten Auftritts von Ry X persönlich, verließ die Menge das Gelände dahin schwebend und auch der Campingplatz sah fast so aus, als wäre er nur eine stille, wenn auch plattere Wiese. Die Menschheit hat sich auf diesem Fleckchen Erde von einer ganz besonders schönen Seite gezeigt - zur Abwechslung mal ohne dabei Spuren auf dem Boden zu hinterlassen.
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