Laute Leise Töne
  • Song der Woche
  • AUS POPULÄREM ANLASS
  • Songtagebuch
  • Konzerte

Laute leise töne

love it if we made it

30/7/2018

2 Comments

 
Meine Haare, die genau einen Moment davor stehen zu fettig für die Öffentlichkeit zu sein, sind in einem dürftigen Pferdeschwanz zusammengefasst. Vereinzelt hängen Strähnen daraus und die Sonne blendet mein ungeschminktes Gesicht. Es ist ein klassischer schlechter Tag. Scheiß egal warum: Schule, Uni, Arbeit, Schienenersatzverkehr, kaputter Kopfhörer, Zeitung gelesen oder einfach nur diese verkackte Depression… 
Er sitzt neben mir und zeigt eine Spur zu viel Verständnis für meine schlechte Laune, die ich versuche mit tiefen Seufzern, an Stelle von zynischen Bemerkungen, wegzuatmen. 
Alles pisst mich an und ich habe keine Lust über meine Gefühle und Gedanken zu sprechen.
​

Der 8-hebige Rhythmus der brandneuen Single von The 1975 beginnt leise. Nur ein wattiger Synth, der 4 Akkorde spielt. Soft legt sich ein weiter Synthesizer darüber und ich spüre ein Kribbeln in mir hochfahren. Meine Hände fahren angespannt über meine Oberschenkel und einen Moment lehne ich mich kurz zurück. Die Geräusche und sein gutes Zureden verschwinden hinter den Akkorden. Schließlich wende ich meinen Kopf zu ihm und mein Blick richtet sich gezielt auf seine Lippen. 
Fucking in a car, shooting heroin, saying controversial things just for the hell of it!
Wenn Mattys energische Stimme einsetzt ist es wie ein intensiver, entschlossener Kuss! Kein süßes Küsschen, kein kribbeliger erster Kuss, kein Schüchternes antasten oder romantisches Küssen in einer RomCom, in der ein Kuss über drei Sekunden das Maximum an Intimität und Nähe darstellt und das Happy End besiegelt. Nein, I love it if we made it ist so ein richtiger Kuss. Einer mit beiden Händen an seinem Kopf, die ihn zu mir ziehen. Einer mit durch die Haar fahren und darin fest krallen. Ein Kuss mit zusammengekniffenen Augen, Beinen die sich auf seine Legen, mit Kopf schräg halten und Seiten tauschen und mit Zunge und vielleicht sogar ein bisschen beißen.
Mein Mund auf seinem und sonst nichts.

Der Song kickt mit einer treibenden Kraft und einer angepissten Haltung, die sich mal ein bisschen daneben benehmen will und derb über das Scheitern der aktuellen Weltpolitik, Popkultur und die Probleme von Generation Y herzieht. 
Der Begriff stößt mir bitter auf, beleidigt meinen Drang nach Individualität, der ziemlich repräsentativ für das ganze Millenial-Gelaber ist, doch dieses ganze Generationsding ist bei dem Song einfach nicht wegzuschließen, denn The 1975 haben eine Hymne auf die ‚Herausforderungen’ der Moderne geschrieben.
Oh! Fuck your Feelings! Truth is only hear say! We’re just left to decay! Modernity has failed us!
Der Song verliert nichts von der trotzigen Haltung, auch wenn der zweite Refrain seinen Rhythmus verlagert und anfängt poppiger dahin zu tänzeln und glitzernde Arpeggien aus den 80’n den trotzigen Sänger kontrastreich begleiten. 
Und während ich am Anfang vielleicht ein Bisschen küsste, um nicht mehr über meinen Gefühlskram reden zu müssen, springt mein Herz bei Vers 3 ganz schön heraus, stolpert und ich ringe nach Luft, weil ich vielleicht ein bisschen zu viel von mir hinein gelegt habe; ein bisschen zu ehrlich war. Am Ende stehe ich noch davor das alles zu definieren und mir tatsächlich zu überlegen was ich will… 
Doch eine weitere rotzige Strophe erklingt und ich vergrabe die Zwischentöne gekonnt unter einem neuen Anflug von Rebellion - ganz egal wogegen.
Der Text hingegen benennt ziemlich konkret Probleme und widmet sich in den derben Zeilen Flüchtlingsdiskursen, popkulturellen Ereignissen und Haltungsfragen von 2018. 
Zum Schluss kommt ein Chor hinzu und ich kann mich nicht entscheiden, ob ich ihn einfach sitzen lasse und wegrenne oder bleibe und wir sehen was der Abend und unser super individuelles Leben noch so bringt. 
I love it if we made it, steht für alle Filmcollagen in denen Teenager Unsinn verzapfen. Er spielt bei Wettrennen mit Einkaufswägen, Zeche prellen, ins Freibad einbrechen und zu übermütigen Küssen, die nicht in die Öffentlichkeit gehören, aber dadurch noch ein bisschen mehr Reiz bekommen. Doch das Ende ist immer weggeschnitten und abrupt und so endet auch diese impulsive Aktion im Nichts, weil sich keiner von uns festlegen will und Zwei Wochen Euphorie, ja auch viel schöner klingt als Ex.
2 Comments
Lili
31/7/2018 19:27:54

Sehr schön:))) macht Spaß zu lesen

Reply
Lili
31/7/2018 19:29:01

Hoffe mehr zu hören

Reply



Leave a Reply.

    Songtagebuch

    ​Im Songtagebuch stelle ich Lieder vor, die ganz bestimmte Momente in den passenden Klang einhüllen.
    Der Soundtrack meines Lebens.

    RSS-Feed

Powered by Create your own unique website with customizable templates.
  • Song der Woche
  • AUS POPULÄREM ANLASS
  • Songtagebuch
  • Konzerte